1966 hat Theodor W. Adorno mit seinem Werk ‚Negative Dialektik‘ darauf hingewiesen, dass der dialektische Prozess von These – Antithese – Synthese und dem Aufheben des Widerspruchs nicht zwangsläufig und wie in Hegels Geschichtsphilosophie in einem versöhnenden Moment und etwas fortschrittlichem resultiert. Vielmehr müsse man die bestehenden Widersprüche herausarbeiten und festhalten, um den wahren Charakter zu erhalten.

„Seine Negative Dialektik verpflichtet das kritische Denken daher, bei der bestimmten Negation zu verweilen, ohne den Gedanken über diese hinauszutreiben und eine neue Position zu setzen.“ (Schwandt 2010: 122)

Produktiv Denken bedeutet für Adorno den Widerspruch, die dialektische Spannung auszuhalten, anstatt diese Spannung in einer neuen Position aufzulösen. Erst dadurch könne Wahrheit ‚negativ bestimmt‘ werden, denn das Nichtidentische sei bereits Teil der Identität. Mit dem Erhalt des ‚Falschen‘ oder Nichtidentischen durch die Negative Dialektik will Adorno vermeiden die ursprüngliche Form von Dialektik aus der Sophistik (als Gesprächsform, siehe auch Artikel Dialektik) zu reproduzieren. Hier ist die Dialektik ein Mittel um Recht zu behalten, ein Mittel zur Herrschaft und nicht zur Findung wahren Inhalts.
Ebenso geht es Adorno mit seiner Negativen Dialektik darum das Besondere des Erkenntnisobjekts zu erhalten, anstatt es dem Zwang zur Identität unter allgemeine Erkenntniskategorien zu unterwerfen. Der Begriff solle nur ein Werkzeug sein und nicht das Ergebnis der Erkenntnis. Interpretation und Deutung statt Klassifikation und Schematisierung ist daher Aufgabe Negativer Dialektik und unterscheidet sich damit in extremen Maße vom Wissenschaftsbetrieb ‚Traditioneller Theorie‘.

Warum aber Negative Dialektik statt Dialektik?

Laut Adorno habe die reine Dialektik zu viel gemeinsam mit instrumentellem Denken: Sie umfasst ein Dreierlei an Aufhebung: Vernichten, Höherheben, Bewahren (siehe auch Artikel Dialektik) wohingegen Adorno die Relevanz im bewahrenden Aufheben sieht. Die Negative Dialektik bewahrt, indem sie die Spannung zwischen Widersprüchen nicht aufzulösen, sondern auszuhalten versucht.

 

Aus: Schwandt, Michael (2010): Kritische Theorie. Eine Einführung.
2. Aufl. theorie.org. Stuttgart: Schmetterling Verlag. 121-127.